Vom Lügenpantheon (II)

Seit Jahren lügt man auch des Wesens des Lernens.

Man behauptet, dass es dem Schüler abträglich sei, wenn ein guter Lehrer ihm erstmal sagt, wie es geht.

Nein, in irgendeiner zusammengewürfelten Gruppe, so die Würfel manipuliert, dass stets ein Lernwilliger zur Arschgeige der Faulen gemacht, ließen sich bessere Ergebnisse erzielen, denn wenn jeder angehalten, mitzudenken, zu begreifen, sich an die eigene Nase zu fassen.

Dass Gruppenarbeit sinnvoll sein kann, sei hier nicht bestritten.

Heute aber verteufelt das ganze Reformpädagogikgesindel (tut mir nicht leid, in diesem Zyklus werde ich deutsch und deutlich) den sogenannten “Frontalunterricht”, also, dass einer erst einmal erklärt, wie es geht, als quasi faschistoide, völlig überholte Lehrmethode.

Ich weiß, nach 15 Jahre an der “Front”, ich altgestriger Blöd, das war mir aber schon vordem klar, denn da war ich bereits ein Mitretardierter, dass man Schülern manchmal Zeit lassen muss, selber Dinge zu entwickeln und erfassen, sich daran zu versuchen, die entscheidenden Fragen herauszufinden.

Mir kein Schüler lieber, als der mir sofort, oder nach einer gewissen Beschäftigung mit der Sache, aufgeweckt widerspricht, mich als Lehrer fordert.

Dann nämlich nimmt er die Sache und auch mich ernst, habe ich ihn erfolgreich derer angesteckt.

Dieser Schüler wird mein Bestes, mein bisher Bestes, und eben noch mehr von mir verlangen.

So macht der Lehrberuf noch mehr Freude, und das strahlt auf die Schüler aus.

Ein ganz primitives Beispiel, jetzt woandershin springend.

Beim Erklären des Bruchrechnens nimmt man zunächst den berühmten zu teilenden Kuchen.

Bei Hauptschülern mag man den etwas länger brauchen, mit echten Gymnasiasten lacht man schon nach einer Viertelstunde über diese Einführung (wenn der Vorlauteste einen dafür nicht schon gleich selber zum Plaisir der ganzen Klasse ausgelacht hat).

Dann erklärt man die Regeln, die wichtigen Begriffe, macht ein paar Übungen dazu, und jeder, außer dem diesbezüglich Lernschwächsten, um den man sich besonders kümmert, hat es binnen kürzester Zeit intus.

Völlig etwas anderes selbstverständlich, wenn man einer Zehnten des Gymnasiums ein Gedicht vorlegt.

Sollen sie erstmal lesen, etwas dazu sagen.

Aber jeder selber.

Im Leistungskurs Englisch gibt es einfach eine jener dummen amerikanischen Kurzgeschichten ausgeteilt, und am anderen Tag ist eine in ebenjener Sprache verfasste Kritik mitzubringen. Bams. Könnt Ihr was, oder könnt Ihr nix?

Lernen sich die Deklinationen im Lateinischen etwa dadurch, dass man sie sich “im Team” erarbeitet?

So wird es von September bis zum Feber vielleicht mit der o-Deklination was, aber wahrscheinlich mitohne Ablativ.

Lernen gehört zwar mit zum Schönsten, was es gibt, ist aber eben auch nicht immer nur Vergnügen.

Welchem, außer dem höchstbegabten Schüler, einem neuen Nietzsche, der dies zum Wettstreite angehen will, drückt man denn einfach einen französischen Text mittleren Schwierigkeitsgrades in die Hand, ein gutes Wörterbuch und den Grevisse dazu (eine ausgezeichnete Grammatik, allerdings auf Französisch) und erwartet, dass er einen vier Wochen später mit stringenten sprachwissenschaftlichen Beobachtungen zu interessanten Varianten im Wallonischen zum Stottern bringt?

Was soll dieser verlogene Reformpädagogik-Weichspülerkäse?

Wieder ein anderes, wenn man Leuten nur ein wenig das englische Babbeln beibringen soll.

Das aber ist eine Baustelle, die ich jetzo hier nicht auch noch betrete.

Es geht um die Kernlüge.

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14 Antworten zu “Vom Lügenpantheon (II)”

  1. Lukas sagt:

    Gruppenarbeit hat nur einen Sinn, wenn es Arbeit ist, also Projektarbeit, schöpferischen Tun, egal in welchem Kontext. Summerhill School, eines der radikalsten Schulexperimente hat(te) ganz normalen Fronatlunterricht für jene Schüler, die sich freiwillig entschlossen haben, die entsprechende Materie zu lernen.
    Die Grundsatzfrage ist: steht an erster Stelle das tätig sein aus innerem Antrieb der Kinder an erster Stelle oder der BIldungs bzw. Indoktriniereungsauftrag von oben. Diese Frage wurde trotz der tausend Reformen nie beantwortet. Aber es gibt ja auch keine Gesetze und Verfassungen die Artikel für Artikel von der Allgemeinheit mit Handaufheben vor dem Ratshaus abgesegent wurden.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lukas

    Tut mir leid, ich muss etwas ruppig werden.

    Es liegt nicht im inneren Antriebe eines jeden Kindes, Notwendiges zu lernen.

    Es geht nicht nur darum, was Kinder gerade wollen.

    Ich schätze mal, Sie haben keine, zumindest noch nie welche unterrichtet.

    Oder gründlich darüber nachgedacht, wozu.

    Ihnen Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen wenigstens zu versuchen, auch mit allem erträglichen Nachdruck, ist Erwachsenenpflicht.

    Dazu ist Schule erstmal da.

    Wenn sie diese elementaren Grundfertigkeiten 9 Jahre lang konsequent nicht erlernen wollen, weil es ihnen unsinnig erscheint, lässt man sie schweren Herzens, alles versucht habend, dahin ziehen, wo sie diese nicht zu brauchen meinen.

  3. Datt Grippchen sagt:

    Was allgemein das Thema “Lügen” betrifft, so meine ich, gehört folgendes hierhin:

    http://www.theintelligence.de/index.php/politik/international-int/4851-911-neue-forderungen-nach-wiederaufnahme-der-ermittlungen.html

    Auch das beste Lügengebilde steht immer nur auf wackeligen Beinen. Irgendwann macht’s dann Bumm und das Bild fällt um. Dahinter kommt sie dann zum Vorschein, die nackte Realität.

  4. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Datt Grippchen

    Die 9/11-Gebäudeeinsturzlüge ist zwar offiziell noch “intakt”, wird aber von Millionen in aller Welt schon lange nicht mehr geglaubt.

    Es ist kein Fehler, dass Du sie hier erwähnst; ich habe in diesem Zyklus aber vor, Lügen anzusprechen, die einerseits eklatant sind, andererseits sonst kaum behandelt werden, daher, auch weil sie als so selbstverständlich wahr eingesenkt, nur wenigen bewusst.

    Deshalb wird 9/11 darin nicht abgehandelt werden (ich habe die Sache auf diesem Blog auch schon x-mal erwähnt).

  5. Lukas sagt:

    Da handelt es sich aber um ein grobes Missverständnis, dessen, was ich schrieb. Keinen Grund also, ruppig zu werden und mir Dinge zu unterstellen.
    Ich sage nämlich nicht, Schüler sollen nicht lesen und schreiben lernen (und zwar möglichst gut) sowie rechnen und was die Schule sonst noch alles anbietet (Fremdsprachen, Tanz, Theater, Handwerke, Sport etc.)
    Ich habe auch schon unterrichtet und bin vor allem selbst unterrichtet worden, weiss also zumindest aus eigener Erfahrung wie Schule von oben herab funktioniert (egal ob mit oder ohne anti-autoritärer Maske).
    Ich hatte einen Sekundarlehrer, den ich nicht besonders mochte, der hatte einen sehr effizienten Französischunterricht, der mir total entsprach, weil er diszipliniert und leistungsorientiert war.
    Dennoch hat sich dadurch nichts an meiner grundsätzlichen Infragestellung des Lernmodus in der Schule geändert. Das Problem ist für mich das von glaubwürdiger Autorität, also der Unterschied zwischen Autoritarismus (Dominanz und Unterwerfung, Ausgrenzen und Aussieben, Indoktrinierung insbesondere im Fach Geschichte) und Autorität basierend auf Vorbildfunktion, innerer Stärke und nicht zuletzt LIebe. Lesen und schreiben können bringt nämlich herzlich wenig, wenn man es am Ende nutzt,um Bomben zu bauen und andere unter dem Daumen zu halten und auszunützen.
    Wie sollen Regierungen, die sie so schwarz malen in ihrem Blog eine Schule fördern, die die LIebe in den Mittelpunkt stellt? Das wäre ja komplett absurd!
    Projektarbeit heisst nicht, mit einem beschissenen neuen pädagogischen Konzept, die Welt auf den Kopf stellen und so tun, als würde man jetzt frei lernen. Projektarbeit heisst in erster Linie etwas schöpfen, etwas produzieren. Dadurch erst wird die Kausalität im Lernmodus umgedreht, weil man entdeckt, das Wissen notwendig ist, um das Projekt zu realisieren.
    Summerhill School hat dieses Modell sehr erfolgreich betrieben und hatte, wie gesagt, ganz normalen, disziplinierten Frontalunterricht.

  6. Lukas sagt:

    Kleiner Nachsatz: ich arbeite unter anderem mit Pferden (denen ich etwas beibringe während dem ich mir und sie mir etwas beibringen). Und Pferde haben die ganz ausgeprägte Tendenz die Notwendigkeit von all dem nicht zu erkennen, was nicht mit Gras fressen und Fortpflanzung zu tun hat. Pferde sind grossartige Schülerlehrer, die einen vermitteln, was echte Autorität ist. Kein einfacher Weg. Ich würde heutzutag jedem Lehrer empfehlen, mindestens einen Tag wöchentlich Pferde und Hundeflüstern zu lernen.

  7. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lukas

    Mag sein, dass ich Sie teilweise missverstanden habe.

    Ich bleibe aber dabei, dass man Kinder nicht nur von ihrer eigenen Motivation her ausbilden kann.

  8. Das Häschen sagt:

    Ich denke der wesentliche Punkt ist viel mehr die Zielvorgabe der Bildung in den Kontext einer gesellschaftlichen Vision zu stellen. Das im Moment in der Kritik stehende neoliberale Modell, heißt nicht umsonst dasjene ‘Deutscher Prägung’. Nenne es gerne ‘Der Hauch der 40er Jahre weht noch in den Strukturen und infiziert sowohl Lehrende als auch Lernende’.

    Aber jeweils einen guten Schüler mit einem schlechten zu paaren ist absurd, in diesem Punkt gebe ich recht, denn jeder hat seine Geschwindigkeit. Die Paarung ‘erzeugt’ vermutlich im Mittel einen bescheidenen mittelmäßigen Erfolg. Auf das zielt in Österreich und Deutschland das Schulsystem ab.

    Frontalunterricht allein ist möglw. nicht fruchtbringend. Es wäre meiner Ansicht nach zu platt der Methodik die Verantwortung für das Ergebnis in die Schuhe zu schieben. Es gibt vermutlich zu wenige begnadete Pädagogen.

    Wer das Individuum fördern will, der muss die Idee aufgeben Gleichaltrige in Pakten entlang einer Pipeline durch eine genormtes System zu schleusen. Aber den Vortag per se zu verdammen… Übungen in Gruppenarbeit scheint effizienter, aber insbesondere wenn man das anglikanische Modell angeht und das Individuum entlang seines Talents fördert, das Talent forciert und die anderen brach liegen lässt. Das wäre Vorbereitung auf Teamarbeit.

    Methodiken gehören Sorgfältig gewählt. Der kulturelle Hintergrund aus dem sie entstammen ist maßgeblich, gilt aber für alle Methodiken. Blinde anwenden von Best Practices aus den U.S. in Europäischen Unternehmen endet im Chaos.

  9. Lukas sagt:

    Warum sollten sich Eigenmotivation und Motivation durch die Lehrer gegenseitig ausschliessen? Jedes Kind lernt ja auch gerne gewisse Dinge von seiner Mutter oder seinem Vater. Ich bin übrigens schon lange dafür, dass man die hellsten Werbeköpfe für den BIldungssektor abwirbt, damit sie den Mathematikmuffeln fachgerecht das Rechnen und den Deutschmuffeln, das lesen schmackhaft machen, anstatt sie mit Fastfoodwerbung zum Dickwerden zu animieren.

  10. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lukas

    Davon, dass sich Eigenmotivation und Motivation durch den Lehrer gegenseitig ausschlössen, habe ich mit keiner Silbe gesprochen.

    Ich habe aber mit genügend Pappenheimern zu tun gehabt, nur als Beispiel, die ihren Text partout nicht noch einmal konzentriert durchlesen wollten, mit entsprechendem Ergebnis, bis dass ich sie keineswegs (zunächst) freiwillig dazu brachte.

    Da fielen nicht selten auch harte Worte.

    “Guck mal, ist doch viel cooler, wenn du’s nochmal genau durchliest!” – das mag auch manchmal helfen, aber eben keineswegs immer.

    Auch Vokabeln müssen nunmal gelernt werden, ob das nun einer motivierend findet (fand ich damals auch nicht, heute lerne ich freiwillig, soweit ich nur kann, jedes neue Wort) oder nicht, es sei denn, dann ist’s ja gut, sie fallen ihm vom Himmel ins Hirn.

    Dass dabei so weit wie nur möglich die eigene Motivation anzuregen ist, geschenkt, was sonst.

    Das kann aber dauern. Und vorher bleibt mitunter nichts anderes, als einen gewissen Druck auszuüben. Dem Kinde (auch Erwachsenen), wenn verstockt, klarzumachen, dass es anders einfach nichts wird. Dass man ihm dann auch nur noch begrenzt helfen kann.

    Dass dabei der Einzelfall in seiner psychischen Verfasstheit wie vom Lerntypus her zu beachten ist, versteht sich von selbst.

    Und, bei all meiner Freude am Lernen: Ich muss mir heute noch manchmal selber in den Arsch treten, dieses oder jenes Wort nochmal nachzuschlagen; wiederum nur als Beispiel.

    D’accord bin ich desbezüglich, dass wir die Besten an die Schulen holen sollten, nein, müssten.

  11. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Das Häschen

    “Das im Moment in der Kritik stehende neoliberale Modell, heißt nicht umsonst dasjene ‘Deutscher Prägung’. Nenne es gerne ‘Der Hauch der 40er Jahre weht noch in den Strukturen und infiziert sowohl Lehrende als auch Lernende’.”

    Haben die Nationalsozialisten jetzt auch noch den Neoliberalismus geprägt bzw. vorweggenommen?

    Na denn.

  12. Dude sagt:

    “Ich muss mir heute noch manchmal selber in den Arsch treten, dieses oder jenes Wort nochmal nachzuschlagen…”

    Du darfst Dich immerhin damit zufrieden geben, dass Du nicht der einzige bist, der sich ab und an mal selber den Allerwertesten piesacken muss… ;-)

    Manchmal auch, weil ich meine Texte meist immer erst nach dem Abschicken durchlese, was dann ohne Edit-Funktion zuweilen bei Lesern mit anständigen Sprachfertigkeiten zu Augenkrebs führen kann…

    Tja… ;-)

  13. Dude sagt:

    “Haben die Nationalsozialisten jetzt auch noch den Neoliberalismus geprägt bzw. vorweggenommen?”

    Das wär mir neu…

    http://de.wikipedia.org/wiki/Milton_Friedman

  14. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Den Nichtrichtigdurchgelesenhabendenkommentatorenpeinlichkeitstod mussten wir alle schon sterben.

    Man sieht trotzdem, zumindest der Profi, ob es einem schon von vornherein wurscht war, oder halt, in der Eile, oder nächtens spat, mal eine insgesamt gesehen lässliche Unachtsamkeit ohne Möglichkeit der Nachkorrektur waltete.

    Bei der Geschwindigkeit, mit der zumal Leute wie Du arbeiten, solltest Du Dich deswegen nicht realiter von der Klippe stürzen.

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