Neues aus Hammelburg

Hier der für mich entscheidende Auszug aus der Wahldankesrede unseres neuen Bundespräsidenten Gauck:

“Ich wusste, diese meine Heimatstadt und dieses graue, gedemütigte Land – wir würden jetzt Europa sein.”

War die DDR etwa, nur da sozialistisch, je nicht ein Teil Europas?

Die – bis auf einen geographischen Zipfel – asiatische, moslemische Türkei, da NATO, aber schon lange?

Waren, folgt man dieser Logik, Polen oder die Tschechoslowakei oder Ungarn etwa nicht Teil Europas, da sie unter einer von Gauck abgelehnten Herrschaft standen?

Was erzählt uns der Pfarrer da?

Weiß er, was er da sagt, denkt er das wirklich, oder lügt er?

Las man in der DDR etwa nicht auch Schiller und Goethe und Gogol und Puschkin, gab es etwa den Leipziger Bachchor nicht mehr?

Trank man nicht Bier und spielte Skat und ließ nicht gar Colli und Montinari d i e Nietzsche-Ausgabe besorgen?

Inwiefern war man denn so gänzlich “uneuropäisch”? So, dass man es durch den Fall der Mauer erst (wieder) werden konnte?

Waren Grimms Märchen etwa verboten? Oder die Werke Shakespeares? Kleists? Darbte die klassische europäische Musik darnieder? Gab es keine Theater? Kein Kabarett, die Distel zu Berlin etwa?

War das Licht der Ostsee zu jener Zeit ein Immergrau?

War etwa mit aller europäischen Kulturtradition gültig gebrochen? Sprachen die Leute nicht mehr Deutsch?

Statt “Heim ins Reich!” “Heim nach Europa!”, oder was?

Neinnein, Herr Bundespräsident, da werden Sie mir Besseres von der Kanzel lassen müssen. Das lahmt nicht nur: es taugt inhaltlich hinten und vorne nicht.

Sei Europa etwa das, was der Atlantik-Brücke, Ihrem Förderverein (wie auch dem Ihres gescheiterten Vorgängers), hiemit den US-Mächtigen, definitorisch gefällt?

Ausgerechnet Sie, als abendländischer Christ und wohl auch gebildeter Mann, wollen die Mitteldeutschen erst ab 1990 wieder als Europäer verortet wissen? Nur, weil Ihnen die Siegermacht dorten weniger passte, als jene, die uns im Westen unter ihre Knute zwangen?

So redet jedenfalls kein Patriot. Und, Sie mögen es nicht gemerkt haben, auch keiner, der “das Staatsvolk der DDR” in seinem schwierigen Werdegang nach dem Kriege achtet.

Ich halte Sie nicht für dumm. Ihre Eitelkeit ist Ihnen aber zu Kopfe gestiegen: das sage ich mal so lapidar.

Ich kann Ihnen aus meinem schwäbischen Kral namens Stuttgart nur raten: Besinnen Sie sich, oder reden Sie noch mehr Unhaltbares. So bald als möglich.

Sollten Sie ähnlich versagen wie Ihr Vorgänger, so wird das Mitleiden über sie schäumen, wie als ob die Warnow Rostock wegspülte. Ehrensold folgte.

Aber, mancher wuchs schon im Amte. Ich will Ihnen nach diesem Tort also noch eine Chance geben, vielleicht auch zwei. Machen Sie etwas daraus.

Noch eine Kleinigkeit. Mir fiel schon damals, als Sie die Stasi-Akten chefmäßig aufzuarbeiten hatten, etwas als merkwürdig auf. Man nannte Ihren dafür eingerichteten Laden “die Gauck-Behörde”. Wie als ob er ihnen gehörte. Ein Personennamenskult, der mich verwunderte. Absolut unüblich in dieser unserer, bereits europäisch geübten Bundesrepublik.

Ich denke, ich hätte es mir verbeten, dass so eine heikle Institution “Göller-Behörde” genannt worden wäre. Alle aber fanden “Gauck-Behörde” gut und nickten.

Ich gebe zu, dass ich Horst Köhler zunächst für eine schlimme Wahl hielt. Dann aber hat der Mann – jedenfalls relativ gesehen – , zumal angesichts der Finanzkrise, erstaunlich mutig Kurs gehalten.

Denken Sie mal darüber nach, was Europa, was Deutschland, dem Sie zunächst verpflichtet sind, auch bald per Eid, eigentlich ausmacht.

Wir sprechen uns wieder.

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Tags: Atlantik-Brücke, Europa, Gauck

Dieser Artikel wurde am Sonntag, 18. März 2012 um 21:06 erstellt und ist in der Kategorie Demokratie, Deutsch, Geopolitik, Lügen abgelegt. Antworten zu diesem Artikel können durch den RSS 2.0-Feed verfolgt werden. Es besteht die Möglichkeit auf diesen Artikel zu antworten oder einen Trackback von der eigenen Seite zu senden.
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