In seinem Nachwort zu meiner Zarathustra-Ausgabe schreibt Giorgio Colli: “Dieses Buch scheint daher dem Bereich der archaischen Ausdrucksformen zu entstammen, und es lässt sich nur schwer als philosophisches Werk bezeichnen. Eine Philosophie besteht in der Regel aus Manipulation von Begriffen, welche der Ausdruck von sinnlich wahrnehmbaren Objekten sind, während hier Bilder und Begriffe weder Begriffe noch konkrete Dinge ausdrücken; sie sind Symbole für etwas, das kein Antlitz hat, sie sind keimende Ausdrucksformen.”
Nun, da haben wir’s, und falsch, Signore Colli: Wenn Philosophie aus Manipulation von Begriffen besteht, so lässt sich Nietzsche im Zarathustra nun wahrlich nicht lumpen; man nehme nur einmal die Ausführungen zu Den Drei Bösen, der Wollust, Herrschsucht und Selbstsucht, worin diese Begriffe sehr eindeutig umgewertet werden.
Nun gut, dafür, dass „Also sprach Zarathustra“ kein philosophisches Werk ist, enthält es überraschend viel Philosophisches; mag sein, dass es als Herzerwärmgedicht für Philosophen konzipiert wurde, als klagende Sangspruchdichtung eines Einsamen, der es nie zum rechten Philosophen gebracht hatte, eine Schneise auch für hilflos in Tagträumen gestrandete Geister schlagend.
Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass man Poesie und Philosophie, Dichtkunst und Weisheitsliebe, als unvereinbare Stiefschwestern hinstellt: Was für ein ausgemachter Unfug!
Aber Leute, die weder Schönheit noch Weisheit allein ertragen können, ertragen beides zusammen noch viel weniger, und daher müssen sie behaupten, bei der Schönheit könne keine Weisheit wohnen.
Doch 6000 Fuß über Bayreuth hub Nietzsche an, 1000 Meilen über das hinauszufliegen, was zuvor Dichtkunst genannt worden war.
— Anzeigen —
Tags: Nietzsche, Philosophie