Freiheit

Die ersten Balzgesänge erklingen.

Am liebsten packte ich jetzt meinen Rucksack, marschierte erstmal die vier Kilometer zur Autobahnauffahrt, hinge den Daumen in die Frühlingsluft, mich erst dort entscheidend, ob ich’s wohl zunächst gen Süden oder Norden versuchen wolle, wohin denn vielleicht, völlig dazu bereit, wo ganz anders herauszukommen, wenn dies denn ein längerer “Lift” mit einem interessanten Fremden ergäbe, mich einfach zwei Wochen durch die Republik treiben zu lassen, dort zu biwakieren, wo es sich ergibt, unter freiem Himmel zu schlafen, wo immer möglich mit Lagerfeuer und frischem Wildbärlauch im Alutopfe, einer Bouteille einfachen Roten dabei, nur mit Block und Stift ein wenig zu dichten, morgens von der Feuchte des Taus und dem Rufe der Singvögel geweckt zu werden, den Ranzen aufs Neue zu schnüren, an einem besonders schönen Orte einfach drei Tage Lager aufzuschlagen, durch die Gegend streifen, ausrücken, in einem nahegelegnen Dorf neues Material zu fassen, also bescheiden wie frei, abends mit Blick auf die verlöschende Glut einzuschlafen, alles und nichts zu tun, ohne Telefon und Ebriefkasten, verloren in der Niederlausitz an einem See oder oben auf einem Mittelgebirgsrücken, am Morgen selbstversunken in flache Wasser- oder Talnebel blickend, sinnend auf neue Taten und Zukünfte, mit einem jähen Ruck in plötzlichem Entschlusse das Wenige aufzubuckeln, dem Gedanken, jetzt zöge es mich für zwei Tage nach Berlin oder Mailand, sofort folgend, lachend, und wenn es mit der Tramperei nicht so recht klappte, bereits nach Holzfeuer und Wildlauch riechend und etwas angejahrt und zerzaust, dann eben nur hundert Kilometer heute, dreißig davon zu Fuß, schräge Regenfäden von morgens bis abends im Gesicht, schließlich kein Lagerfeuer, doch ein gemütliches Strohbett in einer abgelegenen Scheune, einen alten Käse in Würfel und eine Wurst, hart wie ein Brett, mit dem frisch abgezogenen Messer hauchfein zum Vagabundenschlemmermahle aufgeschnitten, heute nur zwei Flaschen Bier, gut eingeteilt, anderntags, wie der Wind es will, den ich lieber im Gesicht habe als im Rücken, mit dem Gedanken aufgestanden, ich sei ja noch nie in Quedlinburg und auf dem Brocken gewesen, diesmal Glück und schon am Nachmittage, nach einer raschen Fahrt mit einem ebenso redseligen wie beschlagenen wie skurrilen Vertreter für Alarmanlagen, bereits daselbst, altes Fachwerk bestaunend, der Dreitagebart schon ein wenig juckend, abendliche Rasur an einem Zwergenbächlein im Harz, frisches Weißbrot, vom Bärlauch noch genung, drei dicke Lammkoteletts gar, und in der Ferne ist schon der Brocken zu sehen, auf dem ich morgen lagern werde, danach vielleicht nach Düsseldorf, da war ich auch noch nie, oder doch lieber Warnemünde, da war ich schon, aber da ist es schön und keine dumme Polizei, solange man es nicht wirklich übertreibt, Strandlagerfeuer ausdrücklich erlaubt, oder doch lieber runter in die Rhöner Berge und Hochmoore, den Rest nach Hause nur noch auf Schusters Rappen, der Ranzen wird schon immer leichter, oft spüre ich ihn kaum noch, oder, als wäre er nur ein Überrock, aber, ich bin ja noch nicht einmal auf dem Brocken, wer weiß, was mir dort oben noch einfällt, an diesem zauberigen Orte, wo nächtens die Elfen heranhuschen in kalter Brise, alles im Innern sich nochmals zu wenden vermöchte, mag sein, gar noch einer oder gar ein paar ähnlich Gesinnte zum heidnischen Gelage laden, Wandervögel, Hexen, Poltergeister oder Trolle, zwischen zerzausten Ebereschen, hohem feuchtem Grase, überreifend, eine richtig kalte Nacht gar, es scheint langsam aufzuklaren, Neumond anstehend, ein Sternenhimmel am Firmament, wie seit Jahren nicht mehr gesehen…

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